Obwohl Wendland die Drohungen ernst nimmt, erwartet sie nicht, dass eine große Katastrophe eintritt. Sie hält eine Zerstörung der Reaktorgebäude für unwahrscheinlich, aber eine Beschädigung der Turbosätze in den Maschinenhäusern durch die Russen für wahrscheinlicher. Das US-amerikanische "Institute for the Study of War" (ISW) erklärt, dass ein begrenzter Sabotageakt von Russland am Kernkraftwerk nicht zwangsläufig zu einem massiven radiologischen Zwischenfall führen würde. Die Reaktoren sind so gebaut, dass sie erheblichen Schäden widerstehen können. Trotzdem stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine Beschädigung des Atomkraftwerks in Saporischschja auf die Frontlinie haben könnte und wie die NATO darauf reagieren würde. Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger (62) von der Universität zu Köln erklärt, dass ein solcher Schaden direkte Auswirkungen auf die Front hätte, da in diesem Gebiet die Kämpfe eingestellt würden. Es ist ungewiss, welche Seite militärisch davon profitieren würde. Jäger weist darauf hin, dass die Reaktion der NATO nicht veröffentlicht wurde, aber es gibt Anzeichen dafür. Einflussreiche Politiker wie US-Senator Graham, der die Ukraine-Politik Bidens unterstützt, haben gefordert, einen Angriff auf die NATO in Betracht zu ziehen.
Jäger führt weiter aus, dass es wahrscheinlich ist, dass Bidens Warnungen an Russland, hart auf einen nuklearen Einsatz zu reagieren, auch das damals bereits von Russland besetzte Atomkraftwerk miteinschlossen. Er schließt jedoch einen direkten Gegenschlag der NATO aus und betont, dass eine automatische Reaktion unwahrscheinlich ist. Da sowohl Russland als auch die Ukraine sich gegenseitig die Schuld zuschieben würden, wäre eine Untersuchung notwendig, um die Aktion und Reaktion zeitlich voneinander zu trennen. Sergej Sumlenny vom "European Resilience Initiative Center" fordert eine klare Stellungnahme des Westens. Er schlägt vor, dass die NATO offen erklären sollte, dass jeder "Unfall" im Atomkraftwerk als ein Einsatz von Atomwaffen gegen die NATO betrachtet werde, da Länder wie Polen und Rumänien davon betroffen wären. Dies müsste mit entsprechenden militärischen Konsequenzen verbunden sein. Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms durch die Russen wurde deutlich, dass Moskau zu allem bereit ist. Ein Angriff auf ein Atomkraftwerk ist also keine reine Fantasie, und man muss darauf vorbereitet sein.