"Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass Erdogan ernsthaft militärische Maßnahmen gegen Israel ergreifen wird,“ sagt der Türkei-Experte Eren Güvercin (44). Möglicher wäre, dass Erdogan türkische Islamisten zu einer neuen Gaza-Flotille aufruft. Eine ähnliche Flotille gab es 2010, als die islamistische Organisation IHH mit dem Passagierschiff Mavi Marmara nach Gaza segelte. Der Versuch, das Schiff zu überprüfen, endete in einem bewaffneten Konflikt mit israelischen Soldaten und einem weltweiten Aufschrei. Militärexperte Seth J. Frantzman (44) von der US-Denkfabrik „Foundation for Defense of Democracies“ meint: "Erdogan nutzt diese Drohungen möglicherweise für innenpolitische Zwecke, um seine Stärke zu demonstrieren und sich als Unterstützer populistischer Anliegen darzustellen.“
Erdogan bleibt wichtiger Akteur
Trotz dieser Rhetorik bleibt Erdogan ein wichtiger Akteur: "Die Türkei, ein NATO-Mitglied, sollte Israel nicht mit militärischen Maßnahmen drohen, selbst wenn es sich nur um Prahlerei handelt.“ Eine direkte militärische Eskalation hält er für unwahrscheinlich, da westliche Länder Ankara vermutlich zur Deeskalation drängen würden. Dennoch warnt Frantzman, dass Erdogan Provokationen gegen Israel nutzen könnte, um die Spannungen zu erhöhen. "Angesichts der Bereitschaft der Türkei, ihre militärischen Vorstöße in Afrika und dem Nahen Osten auszubauen, sollten diese Drohungen immer ernst genommen werden.“ Güvercin fügt hinzu: "Erdogan spielt bewusst mit dem Feuer. Einerseits möchte er sich als starker innenpolitischer Führer präsentieren, andererseits positioniert er sich als führende Figur der islamischen Welt, indem er sich seit dem 7. Oktober als Vorreiter des muslimischen Antisemitismus inszeniert.“