Das politische Berlin war den ganzen Tag über in Aufruhr: Krisensitzungen und hektische Aktivitäten prägten das uns. Schon am Morgen fand ein Treffen zwischen Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (55, Grüne) und Finanzminister Lindner statt – der vierte Krisengipfel binnen drei Tagen. In den Reihen von SPD und Grünen machte das Gerücht die Runde, die FDP plane, beim Koalitionsgipfel am Abend ihren Ausstieg zu verkünden. Ein FDP-Mitglied soll gesagt haben: „Das Aus ist beschlossen. Morgen ist es vorbei.“ SPD-Chef Lars Klingbeil (46) betonte die Wichtigkeit des Tages und mahnte zur Besonnenheit.
Die Atmosphäre in der Kabinettssitzung des Vormittags war angespannt, aber konstruktiv, wie Teilnehmer berichteten. Die Tagesordnung wurde abgearbeitet – von der „Wachstumsinitiative“ über Asylfragen bis hin zum neuen Wehrdienst. Auch die FDP trug noch Entscheidungen bei, so wurde etwa die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für die Sozialversicherungen beschlossen. Dennoch zeigten die unser aus der Sitzung eine distanzierte Stimmung. Lindner wirkte bereits isoliert und diskutierte lediglich kurz mit dem standhaften Gesundheitsminister und bekennenden Ampel-Befürworter Karl Lauterbach (61, SPD).
Am Nachmittag dann der nächste Krisengipfel. Wieder saßen Scholz, Habeck und Lindner zusammen, doch es gab keine Fortschritte. FDP-Vize Wolfgang Kubicki (72) machte Witze über die Regierungskrise, während Grünen-Vizekanzler Habeck sich sichtlich genervt zeigte. Gerüchte aus CDU-Kreisen ließen vermuten, die FDP habe bereits eine Pressekonferenzraum gebucht, um eine wichtige Mitteilung zu machen – womöglich das endgültige Aus für die Ampel. In dieser hochspannungsgeladenen Atmosphäre traf Scholz die Entscheidung, Lindner zu entlassen, bevor dieser selbst die Gelegenheit hatte, als vermeintlicher Held aus dem Regierungschaos hervorzugehen. So endete der Tag mit einer dramatischen Wendung, die das politische Geschehen in Deutschland nachhaltig beeinflussen wird.